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Wie hältst du es mit der Geschichte, AfD?

Nach einer skandalösen Rede des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke streitet die Partei abermals um ihren Umgang mit der Geschichte. Wie positioniert sich die AfD in geschichtspolitischen Fragen? Die Achtsegel Scroll-Reportage zeigt die Hintergründe.

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Der aktuelle Skandal

Am 17. Januar hält Björn Höcke eine Rede in Dresden. Er bezeichnet das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des Holocaust als „Schande“. Außerdem fordert er eine „Wende“ in der deutschen Geschichtspolitik um „180 Grad“.

 

Ganze Rede anschauen (Link auf Youtube)

Ausschnitt anschauen

Die Rede wird von Experten wie dem Politikwissenschaftler Hajo Funke als rechtsradikal bewertet. Auch innerhalb der Partei entbrennt eine heftige Debatte. Parteichefin Petry leitet ein Ausschlussverfahren gegen den Thüringer Landeschef ein.

Höcke: Geschichtsrevisionismus als Dauerbrenner

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Höckes Dresdner Rede ist kein Einzelfall. Schon öfter fiel der ehemalige Lehrer mit kruden Parolen zur deutschen Geschichte auf. Dieses Beispiel zeigt ihn bei einer Rede im Sommer 2016 in Paderborn.

So verhalten sich andere AfD-Funktionäre zur deutschen Geschichte:

Kay Albrecht, Vorstandsmitglied der AfD Neumünster, relativierte 2014 die Schuld Deutschlands am Ausbruch des zweiten Weltkriegs.

 

Wilhelm von Gottberg, AfD-Kandidat zur Bundestagswahl, Landesliste Niedersachsen (Platz 4), bezeichnete den Holocaust in der Vergangenheit als „Mythos“ und „wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte“.

Von 2014 bis 2015 führte mit Stefan Scheil ein Geschichtsrevisionist die Fraktion der AfD in Frankenthal an. Auch nach seinem Rückzug lädt die Partei ihn als Redner ein, zuletzt Anfang 2017.

Stefan Räpple, Mitglied der AfD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg, schrieb 2017 zur Verteidigung Höckes einen Text auf seiner Homepage. Darin verwendet er geschichtsrevisionistische Begriffe wie "Schuldkult": "Dieser pseudoreligiös anmutende Schuldkult – unter dem letztendlich alle leiden – muss dringend aufhören. Die Mahnmale sollten abgebaut oder zumindest deutlich reduziert werden und um Denkmäler mit positiven Botschaften ergänzt werden.“

Wolfgang Gedeon, ehemals Mitglied der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, bezeichnete den Holocaust in einem 2012 veröffentlichten Buch als „Zivilreligion des Westens“. Nachdem die Passagen seines Buches öffentlich diskutiert wurden und ein Streit innerhalb der AfD entbrannte, verzichtete Gedeon auf seine Mitgliedschaft in der Fraktion.

Martin Sichert, AfD-Kandidat zur Bundestagswahl aus Nürnberg, schrieb 2012 auf Facebook: „09. Mai, kein Tag des Sieges, ein Tag der Trauer. Einen Tag des Sieges zu feiern nach einem Krieg, aus dem die zwei größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts als Sieger hervorgingen halte ich für extrem makaber(...)“.

 

Kann man vom Einzelfällen auf die Partei schließen? Was steht in den Programmen?

Aussagen zur Geschichtspolitik in Wahlprogrammen der AfD

Umgang der AfD-Spitze mit geschichtspolitischen Skandalen

Causa Höcke

 

Im Zuge der Debatte um die Skandal-Rede von Höcke positionierte sich die AfD-Chefin Petry frühzeitig gegen den thüringischen Landesvorsitzenden. Innerhalb des Parteivorstands organisierte sie eine Mehrheit, um ein Ausschlussverfahren gegen Höcke einzuleiten.

Ihr Co-Vorsitzender Meuthen zeigte sich weniger entschlossen. Er soll im Vorstand gegen das Ausschlussverfahren votiert haben. Ebenso verhielt sich das einflussreiche Vorstandsmitglied Alexander Gauland. Er relativierte Höckes Aussagen als Ausrutscher und forderte seinen Verbleib in der Partei.

 

Causa Gedeon

 

Nachdem die antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Passagen aus einem 2012 erschienen Buch von Gedeon in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wurden ging der AfD-Landeschef Meuthen frühzeitig auf Distanz. Er forderte den Ausschluss Gedeons aus der Fraktion. Unterstützung erhielt er dabei von Alexander Gauland. Mit anderen prominenten AfD-lern lancierte er eine Kampagne die Antisemitismus für unvereinbar mit der Partei erklärte.

Die Parteichefin Petry zeigte sich in der Causa Gedeon zurückhaltender. Sie forderte wissenschaftliche Gutachten zur Bewertung Gedeons Aussagen an.

 

Achtsegel

kommentiert:

Achtsegel.org kommentiert:

Im Umgang mit der deutschen Geschichte und den Verbrechen des Nationalsozialismus bewegt sich die AfD am rechten Rand. Immer wieder fallen Partei-Funktionäre mit geschichtsrevisionistischen Äußerungen auf. So lange kein öffentlicher Druck erzeugt wird, kommen diese damit durch. In Fällen, die skandalisiert werden, ist keine einheitliche Linie der Bundespartei zu erkennen ist. Wie sich Mitglieder des Bundesvorstands verhalten, scheint eher von innerparteilichen Machtkonstellationen als von inhaltlichen Positionen abhängig zu sein.

Der Blick in die Parteiprogramme offenbart, weshalb sich so viele Geschichtsrevisionisten in der Partei willkommen fühlen: Zwar sind die Aussagen nicht per se geschichtsrevisionistisch, jedoch lassen sie eine Tendenz im Umgang mit der deutschen Geschichte erkennen: Die Erinnerungskultur an die Verbrechen des Nationalsozialismus ist für die AfD zweitrangig. Wichtiger scheint ihr die Etablierung eines Geschichtsbilds, dass eine positive Vergangenheit Deutschlands zeichnet. Auf diese oft diffusen Forderungen nach einer Umdeutung der Geschichte können sich rechtsradikale Geschichtsrevisionisten berufen.

Die aktive Erinnerung und Aufarbeitung deutscher Verbrechen während des Nationalsozialismus war lange Zeit umstritten. Mit der AfD schickt sich eine Partei an, diesen gesellschaftlichen Konsens erneut in Frage zu stellen. Geht es nach dem Willen Vieler in der AfD, werden kommende Generationen von Schüler*innen nicht mehr adäquat über die historischen Ursachen und Folgen von Holocaust und Diktatur aufgeklärt. Wir meinen: Nur wer bereit ist Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, ist gewappnet, um sich Faschismus und Diktatur engagiert zu widersetzen.

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Kenne ich bereits, bitte weiter!

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Ralph Weber, Stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, lud 2016 als Professor an der Uni Greifswald einen Reichsbürger ein und lies diesen im Hörsaal gegen Juden polemisieren.

Farbe bekennen gegen Geschichtsrevisionismus? Für Petry, Meuthen und Gauland abhängig von parteitaktischen Ränkespielen